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Kapitel 3.9

Sicherheit von Roboteranwendungen – vom „Käfig“ zum „Cobot“

Im Folgenden haben wir die wichtigsten Informationen über Sicherheitskonzepte für Ihre Roboteranwendung zusammengefasst. Erfahren Sie, wie Sie den Zugang zu Gefahren verhindern, die Bewegung des Roboters begrenzen und eine sichere Mensch-Roboter-Interaktion gewährleisten können. Entdecken Sie die Bedeutung von Sicherheitszäunen, fortschrittlichen Erkennungssystemen und die Bedeutung der Planung von kollaborativen Arbeitsumgebungen.

Normen und grundlegende Regeln für die Sicherheit von Robotern

Roboter sind unglaublich flexibel einsetzbar und bieten wirtschaftliche Automatisierungslösungen. Allerdings können sie auch ziemlich gefährlich sein.

Insbesondere große, sehr schnelle Roboter können schwere Verletzungen verursachen, vor allem durch Quetschen und Stoß. Daher wurde die Sicherheit von Roboteranwendungen international genormt in (EN) ISO 10218-1 und -2 und für die USA in der nahezu identischen ANSI/RIA R15.06. Zusätzlich ist mit ANSI/RIA R15.08 eine Norm für mobile Roboter veröffentlicht worden. Nachfolgend finden Sie einige wichtige Sicherheitsregeln.

Robotersicherheit stützt sich auf drei Säulen:

  1. den Zutritt durch Personen verhindern
  2. den Bewegungsraum des Roboters einschränken
  3. den direkten Kontakt sicher gestalten

Das dritte Element, das den physischen Kontakt sicher macht, ist ein relativ neues Konzept, das oft als kollaborativer Roboterbetrieb bezeichnet wird. Es bedeutet, dass ein speziell entwickeltes Robotersystem und ein Bediener im selben Arbeitsbereich oder in sich überschneidenden Arbeitsbereichen arbeiten. Zunächst müssen der kollaborative Arbeitsbereich und die gewünschte Interaktion zwischen Mensch und Roboter geplant werden. Dann werden die Risiken ermittelt und entsprechende Sicherheitsmaßnahmen ergriffen.

Integrated Manufacturing Systems

Was ist ein „kollaborierender Roboter“?

Die fortschrittlichste Sicherheitsmaßnahme in der Robotik ist der sog. „kollaborierende Roboter“, manchmal auch als „Cobot“ bezeichnet.

Ein kollaborierender Roboter ist bezüglich seiner Kräfte und Geschwindigkeit begrenzt. Menschen, die mit dem sich bewegenden Roboter in Kontakt kommen, werden nicht von ihm verletzt. Schmerz kann jedoch die Folge einer Kollision sein.

Jahrelange aufwändige Testreihen waren nötig um eine Liste von Kraft- und Geschwindigkeitsgrenzwerten zu erarbeiten, die für Menschen beim Kontakt mit mechanischen Maschinenelementen erträglich sind (siehe ISO TS 15066).

Kollaborierende Roboter, die sich innerhalb dieser Grenzwerte bewegen, können für Anwendungen, bei denen direkter Kontakt zwischen Mensch und Roboter besteht, als sicher gelten. Allerdings bedeutet das nicht, dass der Einsatz eines solchen Roboters immer oder gar automatisch sicher ist. Stattdessen muss immer die gesamte Anwendung beurteilt werden, d. h. der Roboter selbst und das Werkzeug, das der Roboter handhabt (der sog. „Endeffektor“).


Beispiel:

  • Stellen Sie sich vor, Sie müssten neben einem Roboter arbeiten, der mit einer Spritze und einer giftigen Flüssigkeit hantiert. Geschwindigkeit und Kraft wären dann eher nebensächlich.
Limit Values For Energy DE

Sicherheit in kollaborativen Arbeitsumgebungen

In der nebenstehenden Grafik teilen sich ein Bediener und ein Roboter den hellgrauen Kollaborationsraum.

Schutzmaßnahmen:

  • Ein inhärent gefährlicher Roboter darf sich im Kollaborationsraum nicht bewegen, solange eine Person anwesend ist. 
  • Abhängig vom Abstand und der Bewegungsgeschwindigkeit der Person muss der Roboter abbremsen und anhalten, während sich die Person nähert. 

Schutzzäune:

  • Schutzzäune sind auch heute noch für die Mensch- Roboter-Kollaboration notwendig und werden es auch in Zukunft sein.
  • Der Schutzzaun übernimmt in diesen Anwendungen sogar eine neue Rolle: Er dient zur Abgrenzung des Kollaborationsraumes zu konventionellen Arbeitsplätzen und Verkehrswegen. 

 

Collaboration Range Robot Human 708X944
1 - Arbeitsbereich des Roboters | 2 - Kollaborationsbereich | 3 - Abgrenzung des Arbeitsbereichs des Roboters

Industrieroboter-Sicherheit

Die Sicherheit von Robotern hängt weitgehend von geschlossenen „Zellen“ mit Zäunen und Zugangstüren ab. In vielen Anwendungen werden jedoch zusätzlich Überwachungssysteme benötigt oder können sogar den „Käfig“ des Roboters ersetzen.

Fortschrittliche Erkennungssysteme:

  • In vielen Roboterzellen wird eine Kombination aus Sicherheitszäunen mit Türen, Lichtschranken und Reichweitenscannern eingesetzt.
  • Die fortschrittlichste Form des Erkennungssystems ist eine 3D-Kamera. Sie muss in ausreichender Höhe über dem Arbeitsbereich installiert werden, um sicherzustellen, dass sie alle Bereiche „sieht“, in denen sich Personen bewegen können.

Beachten Sie, dass sich Personen im Gefahrenbereich hinter den Detektoren aufhalten könnten. Wenn dies möglich ist, können zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sein.

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Sichere Bereiche für Roboter

Schutzzäune können daher eingesetzt werden, um den „geschützten Bereich“ zu definieren, aber sie sollten normalerweise nicht verwendet werden, um den „begrenzten Raum“ zu bilden.

Roboter, die mit hoher Geschwindigkeit oder erheblicher Kraft mit Zäunen kollidieren, können selbst bei robusten Zäunen Verformungen verursachen, was ein potenzielles Sicherheitsrisiko darstellt. Außerdem kann es vorkommen, dass Personen ihre Finger durch die Öffnungen stecken, was das Risiko von Verletzungen erhöht. Um diese Probleme zu entschärfen, muss ein Mindestabstand von 120 bis 200 mm zwischen dem begrenzten Raum und der Außenkante des Zauns eingehalten werden. Lesen Sie mehr über die Berechnung und Bestimmung der richtigen Höhe und des richtigen Abstands von Schutzzäunen in Kapitel 3.2 „Auswahl und Konstruktion trennender Schutzeinrichtungen“

Daher ist es unzureichend, sich nur auf sogenannte „robotersichere“ Schutzzäune zu verlassen. Setzen Sie stattdessen geeignete Begrenzungsvorrichtungen ein, um die Sicherheit zu gewährleisten, wie z. B.:

  • Eine sicherheitsbezogene Softwaresteuerung der Roboterbewegungen (sollte mindestens
    PL = d nach EN ISO 13849-1 oder SIL 2 nach (EN) IEC 62061 erreichen)
  • Begrenzungsanschläge (z.B. Anschlagblöcke und -bolzen)  
  • äußere Begrenzungseinrichtungen (z.B. mechanische Endschalter oder Näherungsschalter) 

Schutzzäune sind dazu da, Personen draußen zu halten und nicht den Roboter zurückzuhalten.

 

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“Robotersicherer“ Zaun – Schutzkonzept oder Missverständnis?

Viele Anwender fragen heute nach sog. „robotersicheren“ Schutzzäunen und weisen auf die Testresultate bestimmter Hersteller hin, die deren Produkte angeblich einer Stoßbelastung von 2000 Joule oder mehr widerstehen.

Die Frage selbst offenbart ein gewisses Missverständnis bezüglich der Sicherheitsanforderungen an Roboteranwendungen. Die Sicherheitsnormen für Roboter verlangen nämlich, die Bewegungen eines Roboters durch etwas anderes als einen Zaun zu begrenzen.

Der Bewegungsbereich eines Roboters wird durch seine Größe bestimmt. Oft ist dieser sog. „maximale Raum“ viel größer als erforderlich. Da jeder Anlagenbauer so wenig Aufstellfläche wie möglich zu nutzen versucht, wird der Roboter so programmiert, dass er sich in einem viel kleineren „eingeschränkten Raum“ bewegt. Außerhalb des „eingeschränkten Raums“ wird mit Hilfe von Schutzzäunen, Lichtvorhängen und Bereichsscannern ein „geschützter Bereich“ definiert, in den Personen nicht eintreten dürfen.

Doch muss praktisch immer ein Sicherheitsabstand zwischen dem eingeschränkten Raum und dem geschützten Bereich freibleiben. Warum? Weil der Roboter Zeit braucht abzubremsen und zum Stillstand zu kommen, wenn eine Person beim Eintritt in den geschützten Bereich detektiert wird (zum Beispiel von einer Lichtschranke, einem Scanner, einer Kamera oder einem Sicherheitstürschalter).

 

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FAQ

Robot-proof fences

Diese Infografik veranschaulicht, wie man kritisch über Sicherheitsabstände für Industrieroboter nachdenken kann. Erfahren Sie, warum Schutzzäune wichtig sind, wie es zu Unfällen kommt und wann Zäune nicht die einzige Lösung sind. Lernen Sie die wichtigsten Überlegungen zur Sicherheit von Menschen in der Nähe von Robotern kennen.

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